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13 Wechsel in drei Jahren Personelle Turbulenzen im Stadtrat Delmenhorst

13 Mal hat seit November 2016 ein Ratsvertreter die Fraktion gewechselt oder den Stadtrat verlassen. In neun Fällen gab es zuvor Streit. Das sind jetzt schon so viele Wechsler wie in der Periode 2011 bis 2016.
02.01.2020, 18:15 Uhr
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Personelle Turbulenzen im Stadtrat Delmenhorst
Von Andreas D. Becker

Drei von fünf Jahren hat der Stadtrat nun hinter sich gebracht. Und mittlerweile hat es innerhalb der Fraktionen und Gruppierungen 13 Wechsel gegeben, wobei vier Ratsleute aus gesundheitlichen beziehungsweise beruflichen Gründen die politische Arbeit niedergelegt haben. Das bedeutet aber, dass es immerhin neun Wechsel gab, weil es innerhalb von Fraktionen zu Streit gekommen ist.

Das sind so viele Wechsler wie in der gesamten Ratsperiode von 2011 bis 2016. Mit Blick auf die Außenwirkung thematisierte Kristof Ogonovski, Fraktionsvorsitzender der CDU, dies im Dezember in seiner Haushaltsrede und mahnte zu mehr Disziplin. „Das würde auch unserer Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit gut tun“, sagte er – wobei er gut reden hat, denn die CDU ist noch immer in der Ursprungsbesetzung im Rat vertreten und hat sich auch keinen Partner gesucht.

Ebenfalls noch ohne Umbesetzung kam bisher Die Linke aus. Edith Belz und Hartmut Rosch haben zudem auch keine Gruppe mit einer anderen Fraktion gegründet. Auch die FDP ist noch wie im November 2016 mit Murat Kalmis, Iskender Sen und Eyup Ertugrul besetzt, hat allerdings vor Kurzem mit UADler Peter Stemmler eine Gruppe gegründet. Ansonsten gab es in allen Fraktionen, Gruppierungen und Wählergemeinschaften Umbestzungen. Ein Überblick.

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Beilemann , Antje. Im August 2019 wurde Kritik an der Bürgermeisterin und Ratsvorsitzenden laut: Ihr Ehrenamt als Patientenfürsprecherin habe sie nicht ausgefüllt, erklärte Christian Marbach, der sich als Sprecher der Angehörigen von Opfern des Mörders Niels Högel immer mal wieder prominent in Delmenhorster Krankenhausthemen einmischt. Wenige Tage später trat die SPD-Ratsfrau als Bürgermeisterin und Ratsvorsitzende zurück, Ende September verließ sie die Fraktion SPD & Partner im Stadtrat und sitzt dort nun als Einzelkämpferin.

Berger, Gerhard. Im September 2019 verließ Berger den Rat. Aus gesundheitlichen Gründen kann er sein Mandat nicht mehr wahrnehmen. Er leidet seit Jahren an Parkinson, ist immer offensiv mit der Erkrankung umgegangen, unter anderem in seinem Buch „11 Stationen mit dem Bus“. Sein Nachfolger im Rat ist Robert Gabriel.

Dähne , Uwe. Wegen des Streits um das Baugebiet am Südfeld in Hasbergen entzweite sich nicht nur die Fraktion der Unabhängigen Delmenhorster (UAD) im Rat, sondern die Wählergemeinschaft stand auch plötzlich ohne Vorsitzenden da, weil Dähne dieses Amt gleich mit niederlegte. Ein Nachfolger für ihn soll bei der nächsten Mitgliederversammlung gefunden werden. Dähne, früher bei der FDP, gründete zusammen mit Axel Unger (siehe unten) in der Ratsperiode 2006 bis 2011 die FDelP. Er wurde 2011 erneut in den Rat gewählt, schloss sich im November 2012 den Unabhängigen an. Nach seinem Austritt aus der UAD bildet Dähne im Stadtrat zusammen mit den Grünen eine Gruppe.

Jurk , Elvira. Die neue Ratsfrau rückte zwar mit einem Ticket der AfD – für den aus gesundheitlichen Gründen ausgeschiedenen Ratsherr Jürgen Kühl – ins höchste politische Gremium der Stadt, aber mit der Alternative für Deutschland wollte sie nicht enger zusammenarbeiten und löste sich von der Fraktion. Es war quasi ihre erste Amtshandlung als Politikerin.

Kutz, Rainer. Im September tauchten Fotos von Kutz beim Auswärtsspiel des SV Atlas beim TB Uphusen auf Facebook auf. Darauf trug er einen Sweater der Borussenfront, einer Fangruppe von Borussia Dortmund, der eine Nähe zur rechtsextremen Szene attestiert wird. Kutz trat aus der AfD aus, weil er Schaden von der Partei abwenden wolle. Er kündigte auch an, sein Ratsmandat niederzulegen – entschied sich dann aber dagegen. Als er im November seinen Vorsitz im Ausschuss für Bürgerangelegenheiten und öffentliche Sicherheit wahrnehmen wollte, kam es zum Boykott der anderen Mitglieder. Die Sitzung musste sofort beendet werden, weil die Beschlussfähigkeit nicht gegeben war. Im Anschluss wurde Kutz aus der AfD-Fraktion geworfen. Seitdem ist er in öffentlichen Sitzungen nicht mehr in Erscheinung getreten.

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Lotsios , Andrea. Im März 2018 gab die Ratsfrau der Grünen an, sich künftig der Gruppe SPD & Partner anzuschließen. Zuerst ebenfalls als Partner, mittlerweile ist sie ordentliches SPD-Mitglied. Der Grund für ihren Wechsel: Zerrissenheit innerhalb der Grünen-Fraktion. So bezeichnete sie es jedenfalls damals. Hintergrund war, dass es im eher linken Spektrum der Ratsgruppierungen Überlegungen gab, eine Art lose Koalition zu bilden. Doch diese Notwenigkeit wurde seinerzeit bei den Grünen nicht gesehen. „Was folgte, waren quälende und zermürbende Monate, die deutlich machten, dass die Situation so für alle Beteiligten zu einer dauerhaften Belastung werden würde“, erklärte Andrea Lotsios damals. Sie wollte mit ihrem Wechsel eine konstruktive Ratsarbeit in den Vordergrund stellen.

Mandalka , Lothar. Als einziges der sieben Ratsmitglieder der AfD hatte er schon Ratserfahrung, also übernahm er den Vorsitz in der Fraktion. Bis Oktober 2019, da legte er auch den Parteivorsitz nieder. Die Zerrüttung mit den ehemaligen Fraktionskollegen ging so weit, dass er auch aus der Fraktion ausgeschlossen wurde. Mittlerweile führt er wieder eine Fraktion, die FdU, die Fraktion der Ungebundenen.

Martins, Maximilian. Er ist der Ratsherr, den kaum einer kennt. Was daran liegen dürfte, dass er selten live in Aktion zu sehen ist. So selten, dass er im November 2019 aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen wurde. Er hat sich mit seinem ehemaligen Fraktionschef Lothar Mandalka nun zur FdU, der Fraktion der Ungebundenen, zusammengetan.

Neugebauer, Andreas. Unter der Flagge der Piraten segelte er 2016 erneut in den Rat. Noch vor der konstituierenden Sitzung sagte der Ex-SPDler im Oktober 2016, dass er zusammen mit den Sozialdemokraten eine Gruppe bilden werde. Nun, diese Gruppe hält bis heute. Aber im Januar 2018 kehrte er den quasi nicht mehr existenten Piraten den Rücken. Nun ist er parteilos, in den Schoß der SPD will er aktuell nicht zurückkehren.

Sassen, Eva. Die Ratsfrau des Bürgerforums hatte keinen leichten Stand in der Politik. Wenn sie Anträge formulierte oder Anfragen stellte, verdrehten viele reflexhaft die Augen. Was manchmal berechtigt war, manchmal aber dazu führte, dass kluge Ideen politisch nicht ausreichend gewürdigt wurden. Im Sommer dieses Jahres zog sich Eva Sassen zum zweiten Mal aus der Politik zurück. Beim ersten Mal räumte sie ihren Platz für Paul Wilhelm Glöckner, weil sie sich auf den Posten als Klimaschutzmanagerin in der Stadtverwaltung beworben hatte. Auch jetzt waren es berufliche Gründe, die zu ihrem Rückzug aus dem Rat geführt haben. Ihre Nachfolgerin ist Kathrin Seidel.

Stemmler , Peter. Nachdem die Fraktion der Unabhängigen implodiert war, suchte sich Stemmler einen neuen politischen Partner in der FDP, weil er kein Einzelkämpfer sein wollte. Durch seinen Wechsel machte er die Gruppe FDP/UAD nach den Querelen in der AfD zur drittstärksten Kraft im Rat.

Unger, Axel. Bereits ein Jahr, nachdem sich der Rat konstituiert hatte, verließ Axel Unger im November 2017 die SPD-Fraktion. Nicht ganz freiwillig. Das Verhältnis mit der Fraktionsvorsitzenden Bettina Oestermann war so zerrüttet, dass die ganze Fraktion befand, Unger solle in Zukunft alleine arbeiten. Im Februar 2018 schloss er sich der Fraktion aus Bürgerforum und Freien Wählern an. Mittlerweile ist Unger auch den Freien Wählern beigetreten, die übrigens nicht erst seine zweite politische Heimat sind. Unger ist eigentlich ein SPD-Urgestein, wanderte zwischenzeitlich aber zur FDP ab. In der Ratsperiode 2006 bis 2011 gab es bei den Liberalen so massiven Streit, dass er zusammen mit Uwe Dähne die FDelP gründete. 2011 zog Unger, im Gegensatz zu Dähne, nicht wieder in den Rat ein. 2012 kehrte er zur SPD zurück.

Wintermann, Thore. Erst im Herbst 2016 zog er für die Delmenhorster SPD in den Stadtrat ein, im Juni 2018 legt er sein Mandat nieder. „Dieser Schritt fällt mir nicht leicht“, erklärte Wintermann damals. Der Grund für seinen Rückzug: ein neuer, zeitaufwendiger Job. Er wurde zum Verbandsgeschäftsführer des Awo-Bezirksverbandes Weser-Ems berufen. „Diese Aufgabe wird meine ganze Kraft kosten.“ Sein Nachfolger im Rat ist Harald Groth.

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