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Jahresrückblick, Teil 2

Tiefpunkte des Jahres 2019

Trotz einiger Fortschritte sind Homo- und Transphobie immer noch oft eher die Regel als die Ausnahme: Wir stellen die zehn Lowlights des Jahres 2019 aus LGBTI-Sicht vor.


Schäbig: Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer versuchte sich mit dem Draufschlagen auf Minderheiten zu profilieren (Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons / wikipedia)

Neue CDU-Parteichefin profiliert sich mit Homo- und Transphobie
Die schlechte Nachricht: In diesem Jahr hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erneut versucht, mit Hass auf sexuelle und geschlechtliche Minderheiten Anhänger zu gewinnen. Die gute Nachricht: Das hat nicht geklappt. Denn außer der Zustimmung von homophoben Klischeefiguren aus der AfD und vom eigenen Parteinachwuchs, der offenbar jeden Blödsinn nachplappert, konnte die Saarländerin kaum punkten. Meinungsumfragen sehen sie stets weit hinten. Dennoch ist es gefährlich, dass ausgerechnet die laut Umfragen nach wie vor populärste deutsche Partei ausgerechnet von einer Person angeführt wird, die offenbar mit Stimmungsmache gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten AfD-Wähler zurückgewinnen will.

AKK hatte – kaum im Amt als CDU-Parteivorsitzende – insbesondere im ersten Halbjahr ihre Abneigung gegen LGBTI offen kundgetan: So betonte sie wie schon im Vorjahr, dass sie persönlich weiter die Ehe für alle ablehnt (auch wenn sie die getroffene Entscheidung des Bundestags akzeptiere). Den Höhepunkt ihrer Kampagne erreichte sie an Fasching, als sie sich über intersexuelle Menschen lustig machte und sich nach intensiver Kritik über eine "künstliche Aufregung" und "verkrampfte" Debatten empörte, der sie "wirkliche Probleme" entgegensetzte. Neben ihrer Unfähigkeit, sich für ihre Hassausbrüche zu entschuldigen, machte sie so auch AfD-"Argumentations"-Muster hoffähig.

Gabalier auf AKK-Kurs
Andreas Gabalier ist die Annegret Kramp-Karrenbauer der Volksmusik. Nach seinen homophoben Ausbrüchen der letzten Jahre – etwa seine Aufforderung, dass sich Homosexuelle wegen ihrer sexuellen Orientierung in der Öffentlichkeit zurückhalten sollen – lehnt er jede Entschuldigung ab. Er erklärte sogar Anfang des Jahres, dass ihn Kritik nicht jucke. Gleichzeitig inszenierte er sich als Toleranz-Vorbild. Als Skandal wurde Anfang 2019 kritisiert, dass Gabalier den Münchner Karl-Valentin-Orden verliehen bekam. In den deutschen Medien wird er dennoch weiter hofiert: Das Jahr endete mit seinem Auftritt in der "Helene Fischer Show" am ersten Weihnachtsfeiertag.


In der "Helene Fischer Show" ist Gabaliers Menschenhass kein Thema (Bild: Screenshot ZDF)

Rücknahme der "Reform" des Transsexuellengesetzes
Alle sind sich einig: Das in den letzten Jahren in mehreren Punkten für verfassungswidrig erklärte deutsche Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 ist völlig veraltet und verletzt die Rechte und Würde der Betroffenen. Dennoch schafften es die diversen Bundesregierungen unter Kanzlerin Angela Merkel nie, eine sinnvolle Reform durchzuführen. Ein dieses Jahr plötzlich vorgestellter Reform-Entwurf war so schlecht, dass er nach heftiger Kritik wenig später einfach auf Eis gelegt wurde.

Andere Länder scheinen mit dem Thema weniger Probleme zu haben: Island hat dieses Jahr etwa ein allseits gelobtes Gesetz zur Selbstbestimmung Transsexueller beschlossen – und zwar ohne auch nur eine Gegenstimme im Parlament.

AfD mit homo- und transphobem Dauerwirbel
In diesem Jahr mussten wir bei queer.de mehr als je zuvor über die AfD berichten: Die Partei stellte nicht nur einen Antrag, Schwulen und Lesben das Ehe-Recht wieder abzuerkennen, sie nutzte ihre Stärke in deutschen Parlamenten immer wieder, um offen Stimmung gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten zu machen.

In Sachsen versucht die AfD etwa, "Werbung für Homosexualität" an Schulen zu verbieten. Der AfD-Chef in Thüringen bedient das in diesen Zirkeln beliebte Bild vom bösen Schwulen, der es auf Kinder abgesehen hat ("Wir sagen: Hände weg von den Seelen unserer Kinder"), und will – ganz im Nazi-Sprech – "Gender-Gaga" auf dem Müllhaufen der Geschichte "entsorgen". In Baden-Württemberg behauptet eine AfD-Abgeordnete, die Akzeptanz von LGBTI mache Kinder krank. In Berlin bringt eine AfD-Aktivistin LGBTI-Akzeptanz mit Geisteskrankheiten in Verbindung. In Rheinland-Pfalz fällt einer AfD-Landtagsabgeordneten zu Intersexuellen nur der Begriff "abartig" ein. Und im Bundestag stellt die AfD-Fraktion den Nutzen des außenpolitischen Einsatzes für LGBTI in Frage oder lädt einen "Experten" in eine Ausschusssitzung ein, der der für die "Heilung" Homosexueller wirbt. Der Platz reicht hier nicht aus, um alle Beispiele zu bringen.

Die lesbische Fraktionschef Alice Weidel sagt dazu nichts, sondern inszeniert sich als Opfer von politischen Gegnern. Sie kann es sich leisten, etwa Regenbogenfamilien in Deutschland diskriminieren zu wollen: Ihre eigene Regenbogenfamilie lebt in der Schweiz.



Dabei, so behauptet die AfD, sei man gar nicht homophob, sondern setze sich sogar für Homosexuellenrechte ein. Dieser "Einsatz" ist allerdings darauf begrenzt, dass man Homophobie unter Muslimen kritisiert. Symptomatisch ist die Aussage der Europaabgeordneten Christine Anderson, die in einer Parlmentsrede schlicht bestreitet, dass Europäer homophob sein können: "Es sind nicht die europäischen Völker, die Homosexuellen ihre Rechte absprechen. Es ist die Kultur, die wir zu Millionen nach Europa importieren und die hier ihre mörderische Homophobie ausleben." Die Debatte handelte ursprünglich von der 2019 verschlimmerten Lage für LGBTI in Polen.

Katholische Homophobie
Inzwischen kennen wir das Spiel seit Jahren: Katholische Würdenträger versuchen vom Missbrauchsskandal in den eigenen Reihen abzulenken, indem sie Schwulen die Schuld in die Schuhe schieben. So gaben dieses Jahr unter anderem die Kardinäle Walter Brandmüller und Raymond Leo Burke erneut "homosexuellen Netzwerken" in der Kirche die Schuld an den Taten und sprachen von der "Pest der homosexuellen Agenda". Antonio Kardinal Cañizares Llovera bezeichnete die Erwähnung von Homosexualität an Schulen gar als "größte Bedrohung für die Menschheit", für Bischof Joseph Edward Strickland ist entsprechender Unterricht "Kindesmissbrauch".


Walter Kardinal Brandmüller behauptet gebetsmühlenartig, dass es einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Kindesmissbrauch gebe

In den USA und Polen betrachtet sich die Kirche als Fanclub und Stichwortgeberin für homophobe Regierungen. In Tschechien wird Homo- und Transsexualität als totalitäre Ideologie verunglimpft.

Die deutsche katholische Kirche gibt sich zwar offener – bei einer "Fachkonsultation" der Bischofskonferenz wurde Homosexualität etwa als "normal" bezeichnet. Dennoch seien Segnungen von Homo-Paaren "im Moment" nicht möglich – mit der Segnung von Tieren oder sogar Autos hat die katholische Kirche dagegen keinerlei Probleme.

Jan Feddersen facht unselige "Queergida"-Debatte an
"taz"-Journalist und ESC-Experte Jan Feddersen sorgte dieses Jahr für einen Shitstorm, als er LGBTI-Aktivisten vorwarf, schwulen Männern ihre Identität verbieten zu wollen. Demnach seien männliche Schwule die Feindbilder dieser "Queergida"-Bewegung, so die Verschwörungstheorie. Nicht nur der Vergleich von LGBTI-Bürgerrechtlern mit der rechtsextremistischen Pegida ist dumm. In Zeiten, in denen die insbesondere in der Ex-DDR aufstrebende AfD sexuelle oder geschlechtliche Vielfalt mit Worten wie "pervers" oder "degeneriert" umschreibt, sollte man keine Kleinkriege in der Community lostreten.

E.on heuert Homo-Hasserin an
Ausgerechnet die wohl homophobste Staatssekretärin seit dem Jahrtausendwechsel erhielt beim Essener Energiekonzern E.on eine Führungsposition. Für viele war die Installierung der früheren CDU-Politikerin Katherina Reiche als Chefin der neuen E.On-Netzgesellschaft ein Signal, sich einen anderen Versorger zu suchen. Jeder Schwule und jede Lesbe, die noch E.on-Strom bezieht, sollte sich den Wechsel wahrlich überlegen: Denn wenn Reiche diese Bevölkerungsgruppe pauschal als "nicht normal" ansieht und dafür noch von einem Großkonzern einen hochdotierten Job erhält, muss man das ja nicht noch finanziell unterstützen.


Katherina Reiche hat als Politikerin über Homosexuelle hergezogen – jetzt ist sie eine einflussreiche Managerin bei einem der führenden Stromversorger (Bild: VKU)

Homophobie im Fußball
Noch hat sich kein einziger männlicher Profifußballer in der Bundesliga geoutet. Was noch schlimmer ist: Noch immer ist Homophobie in Stadien weit verbreitet, sogar bei eigentlich als alternativ geltenden Vereinen wie Union Berlin. St.-Pauli-Profi Jan-Philipp Kalla bemängelte deshalb im November, im Fußball habe sich in den letzten Jahren bei der Akzeptanz Homosexueller "nicht wirklich was getan".

Dabei gibt es positive Signale: Julian Nagelsmann, der junge Trainer von RB Leipzig, riet schwulen Fußballern etwa, ihr Versteckspiel zu beenden. Anders als in Frankreich, wo Schiedsrichter Spiele bei homophoben Sprechchören unterbrechen, scheut sich die deutsche Bundesliga nach wie vor, genauso hart gegen Homophobie wie gegen Rassismus vorzugehen.

Russland macht weiter Stimmung gegen sexuelle Minderheiten
Das russische Regime nutzt Homophobie weiterhin für politische Zwecke: Herrscher Wladimir Putin profilierte sich auch dieses Jahr wieder öffentlich mit Aussagen bei der homophoben Bevölkerungsmehrheit, in denen er Schwule mit Kinderschändern in Zusammenhang brachte. Die homophobe Politik hat handfeste Auswirkungen auf LGBTI im Land – so beschädigt sie den Kampf gegen Aids, führt zu Festnahmen bei queeren Demonstrationen, der Flucht einer Regenbogenfamilie ins Ausland oder zu einer hohen Anzahl von Gewalttaten inklusive Morden.

Während Panik vor "Homo-Propaganda" oder einer "Gender-Ideologie" inzwischen nach russischem Vorbild in weiten Teilen Europas geschürt wird oder CSD-Niederschlagungen auch in der Türkei Alltag werden, zeigen sich die schlimmsten Konsequenzen im Landesteil Tschetschenien: Anfang 2019 gab es wieder Berichte, dass Menschen erneut wegen ihrer sexuellen Orientierung von Sicherheitskräften verschleppt und teilweise getötet wurden. Während der Statthalter Putins in Tschetschenien damit prahlt, dass in seinem Landesteil das quasi westliche "Übel" der Homosexualität nicht existiere, lässt Moskau Ramsan Kadyrow weiter gewähren und wimmelt internationale Aufrufe nach einem Ende und einer Aufklärung der Taten mit Dementis aus Grosny ab.

Theorie: Sperma-fressender Analwurm als Grund für Homosexualität
Jedes Jahr überlegen sich Homo-Hasser neue Theorien, warum Schwule und Lesben Untermenschen sind. Talentiert sind besonders katholische Bischöfe, die etwa die Akzeptanz von Homosexuellen als "Regenbogenpest" oder gar als "größte Bedrohung der Menschheit" geißeln.

Den Vogel schoss aber dieses Jahr eine kuwaitische Ärztin ab: Dr. Mariam Al-Sohel erklärte im März allen ernstes in einem TV-Interview, dass sich Homosexualität durch einen Analwurm manifestiere, "der sich von Sperma ernährt". Wie der Wurm bei Lesben an Nahrung kommt, blieb ihr Geheimnis.

#1 FredericAnonym
  • 28.12.2019, 10:26h
  • Ich fand den Artikel von Jan Feddersen ziemlich treffend. Selbstverständlich ist "queerqida" überspitzt, aber die Tendenzen sind eindeutig vorhanden.
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#2 Taemin
  • 28.12.2019, 11:08h
  • Richtig. Krieg innerhalb der Community ist das Letzte, was wir brauchen. Allerdings verwechselt die Redaktion hier Angreifer und Verteidiger.
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#3 BePrideAnonym
  • 28.12.2019, 13:52h
  • Wenn Jan Feddersen mit Beiträgen zur Community auffiel, so waren sie nur durch De- und nicht Kontstruktion gekennzeichnet. Das wird sich wohl auch nicht ändern.
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