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3D-Drucker-Waffen EU-Terrorexperten fürchten Nachahmer des Anschlags von Halle

Europol warnt vor Anschlägen wie in Halle: Ein interner Report nennt Waffen aus 3D-Druckern und Angriffe mit Drohnen als Gefahren - und kritisiert die Informationspolitik mancher Mitgliedstaaten.
Europol-Zentrale in Den Haag:

Europol-Zentrale in Den Haag:

Foto: Lex van Lieshout/DPA

Nach dem Anschlag von Halle warnt Europol vor Nachahmern. Rechtsextreme Terroristen könnten "wie der Halle-Angreifer" versuchen, Schusswaffen oder Waffenteile mit 3D-Druckern herzustellen, schreibt die europäische Polizeibehörde in einem vertraulichen Bericht von Ende Oktober, der dem SPIEGEL vorliegt. Die Technologie werde zunehmend billiger und besser.

Nach Ansicht der Anti-Terror-Experten stellen auch Drohnen eine potenzielle Waffe dar. Das Szenario eines islamistischen Anschlags mithilfe von Drohnen sei "nicht auszuschließen", heißt es in dem Report. In der Propaganda der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) genieße das Thema große Aufmerksamkeit, davon könnten sich Anhänger anstacheln lassen. Einige aus Syrien zurückgekehrte IS-Kämpfer hätten zudem Erfahrung im Umgang mit Drohnen.

Der Report konstatiert, die Schwelle sei für Extremisten gesunken, ohne direkte Kontakte zu Kriminellen an illegale Pistolen und Gewehre zu kommen: Im Darknet könnten Waffen weitgehend anonym erworben werden.

Zahlreiche Rechtsextremisten in Europa besäßen jedoch auch legale Schusswaffen. Gewalttätige Gruppen fielen immer wieder durch Schießtrainings und Kampfsport auf, schreibt die EU-Polizeibehörde - Rechtsextremisten hätten dabei auch versucht, "erfahrene Mitarbeiter von Militär und Sicherheitsbehörden zu rekrutieren".

IS-Rückkehrer könnten zu "Ikonen" werden, fürchten die Ermittler

Als potenzielle Terroristen von rechts kämen vor allem kleine Gruppen oder Einzeltäter in Frage, die angestachelt durch rechtsextreme Ideologien oder "Fake News" zur Tat schritten. In vielen Fällen seien diese "einsamen Wölfe" den Behörden zuvor nicht aufgefallen. Das mache es schwerer, Attentate zu verhindern. Die rechtsextreme Szene sei insgesamt fluider geworden, die Bedeutung traditioneller Organisationen nehme ab.

Neben der zunehmenden Gefahr durch Rechtsextremisten sieht Europol aber auch eine nach wie vor hohe Bedrohung durch islamistische Terroristen. Dies verdeutlichten Anschläge und vereitelte Anschlagspläne in Frankreich, den Niederlanden, Bulgarien, Spanien und Deutschland, schreibt die Polizeibehörde.

In einigen EU-Mitgliedsstaaten sei die Szene der Dschihad-Sympathisanten sogar "deutlich größer als vor dem Syrien-Krieg", heißt es in dem Bericht. Ehemalige Mitglieder der Terrormiliz "Islamischer Staat" und verurteilte Terroristen, die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe aus dem Gefängnis kämen, würden dieses Problem noch verschärfen. Manche IS-Rückkehrer könnten innerhalb der Szene zu "Ikonen" werden.

Sorgen bereitet Europol auch die Entwicklung in Nordsyrien. Im dortigen Chaos entkamen laut Medienberichten auch europäische IS-Anhänger aus Gefangenenlagern der Kurden. Die Anti-Terror-Experten befürchten, dass in der unübersichtlichen Lage eine Lücke an Geheimdiensterkenntnissen entsteht - und es schwer wird, an Informationen über entkommene Islamisten zu kommen. Es sei nicht auszuschließen, dass IS-Anhänger unerkannt nach Europa einreisen. Das sei eine "ernsthafte Bedrohung der Sicherheitssituation in der EU", warnt Europol.

Europol kritisiert Informationspolitik der EU-Mitgliedsstaaten

In dem Bericht lassen die Europol-Experten durchblicken, die EU-Mitgliedsstaaten lieferten ihnen nicht alle Informationen, die sie für ihre Arbeit benötigten. So monieren sie, dass es in Europa bisher kein verlässliches Lagebild über die Bedrohung durch Rechtsextremisten gebe: In vielen Fällen würden Gewalttaten nicht als terroristische Taten eingestuft.

Die aktuelle finnische EU-Ratspräsidentschaft hatte daher angeregt, einen Gesamtüberblick zum Rechtsextremismus in Europa zu erstellen. Neben einer umfassenden Statistik sollen auch rechtsextreme Symbole, verbotene Texte sowie Gruppen mit Verbindungen zu Extremismus und Terrorismus erfasst werden. In einem internen Papier von Ende Oktober werden die Mitgliedsstaaten gebeten, die entsprechenden Informationen zu liefern.

Der Linkspartei geht das nicht weit genug. "Die EU-Papiere gegen Rechtsterrorismus sind halbherzig und werden weitere Anschläge nicht verhindern", kritisiert der europapolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Andrej Hunko. "Weder baut die Europäische Union Strukturen gegen rechtsextreme Gruppen auf, noch sind konkrete Maßnahmen von Europol geplant." Das sei ein "ein fatales Signal" für die Betroffenen antisemitischer und rassistischer Gewalt.