Der Angriff eines rechtsradikalen Täters auf eine Synagoge in Halle entsetzte ganz Deutschland. Jüdische Menschen sind auch im Alltag immer wieder Zielscheibe von Antisemitismus. Ein Gegenmittel ist die Information und Aufklärung, um Vorurteile auszuräumen. Deshalb hatte das Angermünder Bürgerbündnis in Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung Brandenburg am Dienstagabend im Angermünder Rathaus zu einem Vortrag eingeladen. Im voll besetzten Ratssaal sprach Anke Geißler-Grünberg von der Universität Potsdam zum Thema "Jüdische Friedhöfe: Eine Spurensuche". Seit Jahren sind sie und ihre Projektgruppe dabei, die Erinnerung an jüdisches Leben in Brandenburg und Berlin am Leben zu erhalten. "Jüdische Friedhöfe sind heutzutage die einzigen authentische Gedächtnisorte", sagte sie. "Sie bieten Anhaltspunkte, wer wo und wie gelebt hat." Doch die Aufarbeitung der Geschichte und der Erhalt von Grabstätten und Grabsteinen sei ein Wettlauf mit der Zeit für die Leute, die sich vor allem ehrenamtlich darum kümmern.
Juden gab es in Brandenburg bereits im Mittelalter und kontinuierlich ab 1671, nachdem der Kurfüst nach dem Dreißigjährigen Krieg ein Besiedlungsprogramm erließ. Sie hatten eigene Begräbnisplätze, die für die Ewigkeit angelegt waren. In der jüdischen Religion hat jeder Tote das Recht auf eine würdige Ruhe bis zur Auferstehung im Antlitz Gottes.
Die Referentin erzählte über die Bedeutung hebräischer Inschriften, Beerdigungsbruderschaften und für viele Besucher sehr reichlich über die Geschichte und den Aufbau der neun bekannten jüdischen Friedhöfe in Berlin. Vielerorts kümmern sich Kommunen, Stiftungen oder Freiwillige um die Begräbnisstätte. Doch wie überall sind die Erhaltung und Pflege heutzutage ein Fass ohne Boden und ein Wettlauf mit der Zeit.
Im Land Brandenburg gibt es noch 76 jüdische Friedhöfe unterschiedlicher Größe, zum Teil überbaut, unkenntlich, gepflegt oder im Dornröschenschlaf. "Der Landesverband der Jüdischen Gemeinde mit rund 6000 Mitgliedern kann die Pflege nicht leisten", so Anke Geißler-Grünberg. Die Projektkoordinatorin des Projektes "Jüdische Friedhöfe in Brandenburg" und ihre Mitstreiter sind jedoch unermüdlich dabei, eine umfassende Dokumentation zu erstellen, die in eine Datenbank gestellt wird. Sie enthält auch die Anschrift von Inschriften und wächst stetig.
Angermünder Geschichte
Viele Besucher der Veranstaltung, das zeigte die anschließende Diskussion, hätten sich mehr Aussagen zur regionalen jüdischen Trauerkultur und politische Hintergrundinformationen gewünscht. Nachfragen kamen zum Angermünder Friedhof, der wie alle jüdischen Einrichtungen im NS-System geschändet und zerstört und zu DDR-Zeiten von Anwohnern als Gartenfläche genutzt wurde. Wolfgang Rall vom Bürgerbündnis erinnerte daran, dass 1998 an die Stadt der Wunsch herangetragen wurde, Erinnerungstafeln für die ehemalige Synagoge und den Friedhof anzubringen, was auch mit Hindernissen geschah. In der ehemaligen Leichenwagenhalle, die wieder hergerichtet wurde, gab es eine Ausstellung über jüdisches Leben, die später verloren ging. Seitdem verkommt die historische Ruhestätte wieder.