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Ein Bürger aus Bonn demonstriert mit einer Kippa auf dem Kopf (Illustration).

© Federico Gambarini/dpa

Deutsch-jüdische Verhältnisse: American Jewish Committee stellt das Vertrauen in Deutschland in Frage

Nach dem Anschlag in Halle sei „etwas ins Rutschen gekommen“, sagte der Berliner Chef des AJC Leemhuis. Im gesellschaftlichen Klima vermisse er Solidarität.

Deutschland muss nach Ansicht des American Jewish Committee (AJC) beweisen, dass es das Vertrauen von Juden in Politik und Gesellschaft noch wert ist. „Es gibt keine Garantie, dass es dabei bleibt“, schreibt der Chef der Berliner Vertretung des AJC, Acting Director Remko Leemhuis, in der „Tagesspiegel“-Beilage „#wirgebenkeineruhe – für mehr Miteinander und gegen Antisemitismus“, die am Freitag erscheint.

Das Vertrauen habe nicht erst seit dem Anschlag von Halle vor einem Monat am 9. Oktober „Risse bekommen“. Es sei „etwas ins Rutschen gekommen“, und es stelle sich die Frage, „ob Deutschland den Weg in eine andere Richtung eingeschlagen hat“.

Dazu zählt Leemhuis antisemitische Angriffe wie auf die Synagoge in Halle, in dessen Folge seiner Ansicht nach viel zu wenige Menschen Solidarität gezeigt haben, aber auch die Richtung deutscher Außenpolitik in den vergangenen Jahren. Leemhuis kritisiert unter anderem die „Leisetreterei“ Richtung Iran.

Sicherheitsbedürfnis nicht ernst genug genommen

Zum 81. Jahrestag der Pogromnacht stellt Leemhuis die Frage: „Sind kurzfristige politische Ziele und die Außenhandelsbilanz wichtiger als die historische, politische und moralische Verantwortung?“ Er warnt: „Je härter es ist, Vertrauen zu erarbeiten, desto einfacher ist es, es zu verlieren.“

Der Berliner Direktor lässt offen, ob das AJC seine Jahrestagung im 75. Jahr nach Ende der Schoah im nächsten Sommer entgegen der Pläne möglicherweise doch nicht in Deutschland feiert. „Nicht wenige fragen, ob es überhaupt sicher ist“, schreibt Leemhuis. Dass Juden diese Frage heute wieder stellen müssten, ist nach Leemhuis‘ Ansicht „eine Katastrophe. Allerdings scheint es so, als würde dies gesamtgesellschaftlich noch immer nicht ausreichend zur Kenntnis genommen“.

„Jeder deutsche Schüler solle einmal Israel besuchen“

Der aus dem Rheinland stammende Jurist und als Starkoch in Israel lebende Tom Franz fordert in der „Tagesspiegel“-Beilage #wirgebenkeineruhe, jeder deutsche Schüler müsse einmal Israel besuchen: „Deutschland hat meiner Meinung nach die Pflicht, deutsche Jugendliche während ihrer Schulausbildung einmal nach Israel zu bringen.“ Dies dürfe nicht dem Engagement einzelner Lehrer überlassen bleiben. „Antisemitismus wird nicht durch Statements von Politikern nach Attentaten abgeschafft“, begründet Franz seine Forderung. Er selbst habe in Israel keine Gründe für Antisemitismus gefunden, sondern „immer mehr Gründe, sie zu achten und von ihnen zu lernen“.

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