Zum Inhalt springen

Moritz' Onkel hat 100.000 Euro an die AfD gespendet – jetzt organisieren er und seine Familie eine Gegenspende

Ein Interview über zivilgesellschaftliches Engagement – und die Frage, wie man mit einem AfD-Onkel redet.

Dieser Beitrag wurde am 15.02.2020 auf bento.de veröffentlicht.

Viele haben solche Onkel. So einen, der bei Familienfeiern rassistische "Witze" reißt oder Positionen der AfD rechtfertigen will. Als sei es normal, Menschen zu deportieren, mit "wohltemperierter Grausamkeit", wie es der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke in seinem Buch beschreibt (Zeit ).

Für Moritz Krawinkel ist es allerdings etwas schwieriger. Denn sein Onkel sitzt nicht einfach am Tisch und donnert Stammtischparolen. Sein Onkel hat der AfD vergangene Woche die größte Geldspende seit 2016 zukommen lassen. Und nicht irgendeiner AfD, sondern dem Landesverband vom Faschisten Höcke (SPIEGEL).

Ganze 100.000 Euro spendete der Berliner Bauunternehmer Christian Krawinkel an die AfD – sein Neffe Moritz nutzt die Aufmerksamkeit nun für ein Crowdfunding für den guten Zweck.

Auf Twitter verkündete Moritz zunächst, wie sehr ihn die Spende seines Onkels beschäme. 

Am Freitag startete der 36-Jährige einen Aufruf: Wer will, kann ihm dabei helfen, selber 100.000 Euro zu sammeln. In den ersten 24 Stunden kamen auf der Crowdfunding-Plattform leetchi  bereits mehr als 14.000 Euro zusammen.

Das Geld soll an das Netzwerk "Polylux"  gespendet werden, das in Ostdeutschland zivilgesellschaftliche Initiativen fördert. Die Initiative unterstützt Nachbarschaftszentren, alternative Konzerte und antirassistische Jugendarbeit. 

Wir haben mit Moritz über sein Engagement gesprochen – und darüber, wie man am besten auf die bösen Onkels der Familie reagiert.

bento: Moritz, dein Onkel hat der Höcke-AfD 100.000 Euro gespendet. Wie ging es dir, als du davon erfahren hast? 

Moritz Krawinkel: Er ist ein Onkel zweiten Grades, also kein enger Verwandter. Aber es hat sich trotzdem ziemlich absurd angefühlt, meinen Namen in so einer Verbindung zu lesen. Mein Teil der Familie tickt ganz anders, bei uns gab es immer ein antifaschistisches und antirassistisches Selbstverständnis, meine Eltern haben mich als kleines Kind schon in den Neunzigern zu Lichterketten-Demos gegen Rechts mitgenommen. 

Mein erster Impuls war, deutlich zu machen, dass wir anderen Krawinkels damit nichts zu tun haben.

bento: Die AfD ist keine verbotene Partei. Was ist falsch daran, sie zu unterstützen? 

Moritz: Es ist vielleicht nicht verboten, aber trotzdem falsch. Ich kann es nicht ändern, wenn jemand die AfD unterstützt – aber ich kann ihm sagen, dass er dann jemanden unterstützt, der für Rassismus steht. Die AfD ist ein Sprachrohr für Rassisten und Nazis und auch für Menschen, die sich bewaffnen und die versuchen, diese Gesellschaft von rechts so zu verändern, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen ist. 

bento: Hast du deinem Onkel das gesagt? 

Moritz: Es gibt schon seit Jahren keinen Kontakt mehr.  

bento: Aber wäre jetzt nicht ein guter Anlass, ihm im direkten Gespräch entgegenzutreten? 

Moritz: Nein, ich glaube, das funktioniert nicht. Der Weg, den wir anderen Krawinkels jetzt gehen, ist der bessere. Gerade, indem wir eine Öffentlichkeit herstellen, setzen wir ihm etwas entgegen und zeigen: Wir sind mehr!  

Es mag viele AfD-Anhänger geben. Aber dem gegenüber steht ein großer Teil dieser Gesellschaft, der divers und vielfältig ist, der jüdisch, christlich, muslimisch oder durch Migration geprägt ist. Diese Menschen müssen unterstützt und gehört werden, nicht die Menschenhasser. 

bento: Das ist genau das, was du gerade machst. Wie kam es zum Spendenaufruf? 

Moritz: Auch wenn ich mich erst mal von meinem Onkel distanzieren wollte, wurde mir doch klar: Mit dem Rechtsruck haben wir alle zu tun. Wir müssen zeigen, dass es auch eine andere Sicht gibt, dass man für eine offene Gesellschaft und gegen die AfD eintreten kann. Wenn also der Name Krawinkel jetzt überall auftaucht, benutze ich ihn auch.  

Der Spendenaufruf war dann Gemeinschaftsarbeit: Zuerst mit Freunden, dann im Gruppenchat der Familie haben wir viel über die Sache diskutiert. Da wir nicht mal eben 100.000 Euro zur Hand haben, kam die Idee, es öffentlich zu machen und auch andere um Hilfe zu bitten. Das ist ja auch ein schönes Signal: 

Der Typ spendet alleine so viel Geld? Also zeigen wir mit unserem Crowdfunding: Wir stehen für die vielen!

bento: Ihr habt euch für die Initiative "Polylux" entschieden. Was ist das? 

Moritz: "Polylux" ist ein Unterstützungsnetzwerk für Initiativen in Ostdeutschland. Es ist eine sehr junge Initiative, geführt von jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die sich explizit gegründet haben, um Netzwerke, Vereine und Projekte zu fördern, die wenig Geld haben und jetzt durch die Wahlerfolge der AfD unter massivem Druck stehen. Große Vereine gibt es viele, aber wichtig ist, was im Kleinen passiert. Und im Osten kann das ja besonders wichtig werden: Wenn die AfD mal in Regierungsverantwortung kommt, entscheidet sie über Budgets – da droht dann vielen zivilgesellschaftlichen Projekten das Aus. In der Kommunalpolitik hat die AfD besonders im Osten heute schon großen indirekten oder direkten Einfluss auf die Kürzung von Geldern für antifaschistische Projekte. 

bento: Für wie real hältst du eine Regierungspartei AfD? 

Moritz: Es ist eine reale Bedrohung. Die Geschichte in Thüringen hat uns vielleicht noch mal ein bisschen Zeit geschenkt, weil nun der Schock über die Wahl Kemmerichs doch zu groß war und FDP und CDU deutlich den Widerstand spüren. Aber wenn man sieht, wie sich der Diskurs entwickelt und Tabubruch auf Tabubruch folgt, wird es wahrscheinlicher, dass die AfD irgendwann Regierungsverantwortung bekommt. Umso wichtiger sind Großdemos wie heute in Dresden und Erfurt, um immer wieder zu zeigen, dass die Zivilgesellschaft aktiv eingreift, wenn die Dämme nach rechts brechen. 

bento: Neben Demos und zivilgesellschaftlichen Spenden – hast du ein Anti-AfD-Rezept für den Einzelnen? 

Moritz: Das muss jeder für sich selbst finden. Es ist wichtig, sich seiner Werte bewusst zu sein und für sie einzustehen – ob das im Privaten ist oder als öffentliche Person. Wichtig ist sicherlich - und deswegen unterstützen wir ja auch die Idee von polylux, dass die AfD nicht nur im Wahlkampf bekämpft wird, sondern im Alltag. Und die Politik muss immer wieder unter Druck gesetzt werden, die Tür nach Rechtsaußen nicht weiter aufzumachen. Denn das ist ja das eigentlich Fatale: Nicht, dass es mit der AfD wieder Nazis in Parlamenten gibt, sondern dass die Demokratie kaum verteidigungsbereit ist.  

bento: Wie meinst du das? 

Moritz: Wir laden die AfD ein, die Demokratie mit dem Mitteln der Demokratie abzuschaffen. Nur weil sie gewählt werden, heißt das nicht, dass die Demokraten sind – das ist falsch verstandene Toleranz. Alle Parteien und Medien müssen also immer wieder deutlich machen, dass sie die Diskursverschiebung der AfD nicht zulassen. Wie heißt es so schön: 

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.