Die hessische Gemeinde Ranstadt wollte NPD-Plakate wegen Volksverhetzung abhängen lassen, nun hat das Verwaltungsgericht Gießen eingelenkt: Die Aussagen "Stoppt die Invasion: Migration tötet" und "Widerstand – jetzt" erfüllen nicht den Tatbestand der Volksverhetzung. In dem Urteil heißt es, der Wortlaut "Migration tötet" sei "nicht als volksverhetzend zu qualifizieren, sondern als die Realität teilweise darstellend zu bewerten" (Az.: 4 K 2279/19.GI) .

Demnach habe die Zuwanderungsbewegung nach Deutschland ab dem Jahr 2014/2015 zu einer Veränderung innerhalb der Gesellschaft geführt, die "zum Tode von Menschen" geführt habe und auf lange Sicht zum "Tod der freiheitlich demokratischen Grundordnung" führen könne. Sollte die Bundesrepublik nicht mehr in der Lage sein, das Gewaltmonopol innerhalb ihrer Grenzen auszuüben, sei hiermit ein "schleichender Untergang" verbunden, "wie es einst im römischen Weltreich auch der Fall war". Die Geschehnisse im Jahr 2015 seien "mit dem landläufigen Begriff der Invasion vergleichbar" und beinhalteten keine Wertung. Weiter heißt es in dem Urteil, der Ausspruch "Widerstand jetzt" könne nicht als Aufforderung verstanden werden, gewaltsam gegen Migranten vorzugehen. Auch "parlamentarischer Widerstand gegen einen bestehenden Zustand" sei möglich.

Richter bekannt für harte Linie im Asylrecht

Nach einer Einschätzung des juristischen Fachmagazins Legal Tribune Online (LTO) fällt auf, dass der urteilende Richter die bei Juristen übliche andere Ansicht nicht aufgeführt hat. Es fänden sich keine Fundstellen zu Entscheidungen von Gerichten, die einen ähnlichen Sachverhalt anders beurteilt haben. Der Richter verwies zum Beispiel nur auf Urteile, die die Wahlwerbung der NPD im Wahlkampf 2019 für zulässig erachtet hätten. Dabei hat etwa das Oberverwaltungsgericht Bautzen eine ähnliche Beschwerde der NPD zurückgewiesen. Die Partei ging gegen die Stadt Zittau im Dreiländereck vor, die Plakate mit derselben Aufschrift abhängen ließ. Mit den Plakaten greife die NPD die Menschenwürde sämtlicher in Deutschland lebender Migranten an, begründete das Gericht seine Entscheidung. Dieser Teil der Bevölkerung werde "böswillig in einer Weise verächtlich gemacht, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören" (Az.: 3 B 155/19). Einen Eilantrag im Anschluss an das Urteil lehnte das Bundesverfassungsgericht ab.

Der Richter ist laut LTO für seine harte Linie im geltenden Asylrecht bekannt. Im vergangenen Jahr habe er zum Beispiel in einem Urteil das Bundesverfassungsgericht angegriffen und angeregt, es solle doch lieber einmal prüfen, ob Terroristen sich überhaupt auf die deutsche Rechtsordnung und die Europäische Menschenrechtskonvention berufen könnten.

Die hessische Gemeinde hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Der Streit um die NPD-Plakate wandert damit weiter zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof. Dieses soll nun laut Verwaltungsgericht Gießen für das gesamte Bundesland Hessen befinden, ob und unter welchen Voraussetzungen Ordnungsbehörden im Wahlkampf verfügen können, Wahlplakate zu beseitigen.