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"Das perfekte Geheimnis": Ein Aufklärungsfilm als Komödie

Foto: Constantin

Komödie "Das perfekte Geheimnis" Fack ju Smartphone

Über das Frauenbild kann man streiten, darüber, wie Homophobie abgebildet wird, auch. Trotzdem: Bora Dagtekins "Das perfekte Geheimnis" ist eine oft sehr komische Komödie - die auch noch klug Digitalkritik übt.

Vermutlich könnte man diese Leute leichter ernst nehmen, wenn sie nicht so bescheuert gut aussehen würden. Karoline Herfurth zieht im wärmsten Schummerlicht ihre berühmte Herzschmerzschnute und lässt Tränen über ihre bleichen Wangen kullern. Jella Haase trägt ihr Haar wie vom Designer gestrubbelt. Und wenn Frederick Lau, Deutschlands beliebtester Kinolausbub seit Heintje, mit den Augen zwinkert, dann blinken seine Zähne wie in einem Zahnpasta-Spot.

Bora Dagtekins Film "Das perfekte Geheimnis" sieht von der ersten bis zur letzten von über 110 Minuten so heimelig und hübsch aus wie ein Fernsehwerbeclip. Und möchte doch die schrundigsten, hässlichsten Abseiten des modernen Jungspießerlebens erforschen.

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"Das perfekte Geheimnis": Ein Aufklärungsfilm als Komödie

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"Das perfekte Geheimnis" ist eine oft sehr komische Komödie. Der Film basiert auf der zuerst in einem italienischen Kinodrama aus dem Jahr 2016 ausprobierten Idee, dass eine Abendessengesellschaft aus dreieinhalb befreundeten Pärchen sämtliche Mobiltelefone auf den Tisch legt und jeden Anruf, jede Text- oder Bild-Nachricht im Kollektiv entgegennimmt.

Die Smartphones seien die "Flugschreiber unseres Lebens", behauptet die von Jessica Schwarz gespielte Psychotherapeutin Eva zu Beginn des Films. Offenbar unterstellt sie nicht nur ihrem Mann Rocco (Wotan Wilke Möhring), den sie neuerdings "penetrant gutgelaunt" findet, dass sich auf seinem Mobilgerät Belege für betrügerische und peinliche Unternehmungen finden könnten.

Die Männer des Starensembles, das Dagtekin für seinen Film versammelt hat, sind angeblich seit ihrer Kindheit miteinander befreundet. Rocco arbeitet als Schönheitschirurg, Pepe (Florian David Fitz) als Lehrer, Leo (Elyas M'Barek, Lesen Sie hier  ein Porträt über den erfolgreichsten deutschen Schauspieler) ist Lebenskünstler in Elternzeit und Simon (Lau) ist Taxifahrer. Karoline Herfurths Carlotta ist die Ehefrau von Leo und erfolgreiche Werberin. Jella Haases Bianca ist frisch mit Simon zusammen und Tier-Homöopathin.

Verblüffung und schamrote Gesichter

Die ersten - durchweg missratenen - Gerichte werden serviert, während sich draußen vor dem Balkonfenster eine Mondfinsternis ankündigt. Die ersten Anrufe und Messages sorgen für Verblüffung und schamrote Gesichter. Der Moment, in dem sich die Tischgesellschaft darüber beeumelt, dass sich ausgerechnet Seelenklempnerin Eva einer Brustverschönerungsoperation unterziehen will, ist nicht bloß wegen der doofen Drehbuchvolte, sondern auch wegen des enthemmten Grimassenspiels der Darsteller ein Tiefpunkt des Films.

Von da an gelingen dem Regisseur Dagtekin aber immer wieder schöne Momente, weil er sich weniger um die (meist sexuellen) Nöte und Heimlichkeiten der Beteiligten schert, sondern mehr um die Enttäuschung, die aus den kleinen Lügen unter Freunden und Liebespartnern entsteht. Die Männer am Esstisch kommunizieren untereinander nur gestört oder gar nicht, ihre Erinnerung an die Kinderzeit ist schal geworden vom Wiederkäuen der ewig gleichen Anekdoten.

Auch die Frauen sind, wenn es um Beruf und Elternschaft und schließlich um die Frage geht, ob einer ihrer Kerle schwul ist, sprachlos und verklemmt. Schon über das Frauenbild dieses Films wird man lustig streiten. Noch mehr aber über die Schwulenfeindlichkeit, die plötzlich am Esstisch aufploppt wie Popcorn im Kochtopf.

Erstaunlich didaktische Absichten und erheiternde Wirkung

Die Homophobie wird - wie übrigens auch im italienischen Original und in der französischen Version des Stoffs, "Nichts zu verbergen" - plötzlich zum großen Thema des Films. Man kann Dagtekins Komödie vorwerfen, dass sie die Verlogenheit der Menschen, die hier von "Schwuchteln" reden und sich trotzdem für absolut tolerant halten, lange Zeit fröhlich abbildet - und dann im Finale durch einen ziemlich hirnverbrannten Einfall nochmal weitertreibt.

An den erstaunlichen didaktischen Absichten und auch an der erheiternden Wirkung des Werks ändert das aber nichts. "Das perfekte Geheimnis" ist ein Aufklärungsfilm. Regisseur Dagtekin, der durch die drei "Fack ju Göthe"-Streiche bekannt geworden ist, warnt hier vor den Lügen, mit denen wir uns das Leben einrichten, vor unserem Mangel an Offenheit - und vor dem "Smombie"-Wahnsinn ( aus "Smartphone" und "Zombie") unserer Zeit.

Im Grunde sagt dieser Film: Sperrt eure Smartphones in den Kühlschrank! Fangt an zu reden und zu leben! Für ein Unterhaltungsprodukt mit der Anmutung eines Werbeclips ist das eine überraschende Botschaft.