Mutmaßliche Terrorzelle:Auf den Spuren von "Gruppe S."

Rechtsextremisten sollen Anschläge auf Moscheen geplant haben, die Polizei fand Waffen und Chemikalien. Noch ist aber unklar, wie weit die Pläne schon gediehen waren.

Von Jan Bielicki, Robin Hetzel und Wolfgang Janisch, Karlsruhe/München

Mutmaßliche rechte Terrorzelle - Festgenommene beim BGH

Im Februar schlugen die Ermittler zu, hier wird einer der Verdächtigen in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter vorgeführt.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Die Vaihinghöfer Sägmühle, örtlich "Hummelgautsche" genannt, geht bis auf das 14. Jahrhundert zurück und ist ein beliebtes Wanderziel nahe dem württembergischen Alfdorf. Die Männer, die sich im September am Grillplatz nebenan trafen, sollen sich jedoch weniger für die Lokalgeschichte interessiert haben. Die Polizisten, die das Treffen nach Informationen des Senders SWR diskret beobachteten, hatten einen anderen Verdacht: Hier sollte eine Terrorgruppe gegründet werden.

Mit zeitweise bis zu 35 Ermittlern hatte das Landeskriminalamt in Stuttgart die Männer ins Visier genommen, die sich sonst vornehmlich auf Chatgruppen verschiedener Messengerdienste, aber auch telefonisch ausgetauscht hatten. Nach einem weiteren Treffen der Gruppe im westfälischen Minden durchsuchten Polizisten dann am vergangenen Freitag Häuser und Wohnungen in sechs Bundesländern. Was sie fanden, bestätigte ihren Verdacht: In Mickhausen bei Augsburg stießen sie auf eine Pistole des Kalibers 9mm samt Munition, andernorts fanden sie selbstgebaute "Eierhandgranaten", in Schönebeck in Sachsen-Anhalt beschlagnahmten sie eine sogenannte Slam-Bang-Shotgun. Ein solches aus Wasserrohren zusammengebasteltes Schießgerät hatte auch der Attentäter von Halle verwendet, als er im Oktober 2019 vergeblich versuchte, in die Synagoge einzudringen, und danach zwei Menschen erschoss. Auch Chemikalien, die sich zur Herstellung eines Sprengsatzes eignen könnten, holten die Beamten aus einem der durchsuchten Häuser.

Ziel der Männer sei es gewesen, "bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen"

Zwölf Männer sitzen seither in Untersuchungshaft. Vier von ihnen wird vorgeworfen, eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet zu haben, die acht anderen sollen sich bereit erklärt haben, diese zu unterstützen. Darunter ist ein Mitarbeiter der Polizeiverwaltung aus Hamm, wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul mitteilte. Ein weiterer Verdächtiger, den die Ermittler als fünften Mann zum Kern der Zelle zählen, befindet sich dagegen auf freiem Fuß. Wie SWR und ARD-Hauptstadtstudio am Montag berichteten, soll er bereits Anfang Oktober umfangreiche Informationen über die Gruppe an die Ermittler weitergegeben haben. Ziel der Gruppe, so die Bundesanwaltschaft, sei gewesen, "durch bislang noch nicht näher konkretisierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen.

Für die Ermittler beginnt nun die Detailarbeit. Die Spurensicherung versucht zu klären, ob es sich bei den sichergestellten "Eierhandgranaten" wirklich um sprengfähige Granaten handelt, und wenn ja, ob sie nur mit Schwarzpulver oder mit einem wirkungsvolleren Sprengstoff gefüllt sind. Auch bei der selbstgebauten Slam-Bang-Shotgun müssen die Techniker prüfen, ob sie tatsächlich schussfähig war. In jedem Fall gilt aber: Der Umstand, dass Waffen sichergestellt wurden, zeigt die Ernsthaftigkeit der Gruppe. Darum hat der Ermittlungsrichter auch in zwölf Fällen Untersuchungshaft angeordnet, geht also von einem dringenden Tatverdacht aus. Der anfängliche Tatverdacht sei durch die Waffenfunde wesentlich erhärtet worden. Ausgewertet wird nun auch die Kommunikation der Verdächtigen.

Allerdings scheint auch klar zu sein, dass zur Begehung eines Anschlags weitere Schritte notwendig gewesen wären, also noch nicht gewiss war, ob die Männer Attentatspläne in die Tat hätten umsetzen können. Das gilt insbesondere für die Zusagen von finanzieller Unterstützung. Noch wissen die Ermittler nicht, ob die Leute wirklich gezahlt hätten oder überhaupt liquide waren. "Die Finanzierung stand noch nicht", heißt es aus Ermittlerkreisen. Schließlich hatten die Männer laut Recherchen des Magazins Der Spiegel vor, in kleineren Gemeinden Muslime beim Beten in Moscheen anzugreifen, und zwar in zehn Bundesländern. Dazu hätten sie sich wohl weitere Waffen beschaffen müssen.

Doch wer sind die Männer? Die Ermittler sprechen von der "Gruppe S.", denn der in Mickhausen festgenommene Werner S. gilt als deren Anführer. Laut Spiegel sollen ihn die Behörden bereits als "Gefährder" eingestuft haben. Der 53-Jährige nannte sich bei Facebook "Werner Schmidt", unter seinen 171 Facebook-Freunden finden sich viele, die Neonazi-Symbole zur Schau stellen. In einem Dialog mit einem Freund, in dem sich beide über Account-Sperren amüsieren, schrieb er: "Aber warte noch ein wenig, dann laufen diese Cretinos ohne Hände herum", dazu postete er zwei gekreuzte Schwerter. S. soll die Treffen organisiert haben, dabei unterstützt von Tony E., 39, aus dem niedersächsischen Wriedel, der ausweislich seiner inzwischen gelöschten Facebook-Seite Kontakte zum rechtsextremen Freikorps Heimatschutz pflegte.

Thomas N. aus Minden, von den Ermittlern ebenfalls als Mitglied der Zelle geführt, postete noch am Abend, bevor die Polizei bei ihm klingelte, auf Facebook die Botschaft: "Widerstand ist der einzige Weg! Wir bleiben unbeugsam". Der Fliesenleger hängt seinen Facebook-Posts zufolge allerlei Verschwörungstheorien an, etwa der Überzeugung der Reichsbürger, dass es die Bundesrepublik rechtlich gar nicht gebe. Kanzlerin Angela Merkel nennt er "Totengräberin der deutschen Kultur" und "eine verbrecherische Kreatur", seine Autokennzeichen hat er mit den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot überklebt.

Auffällig sind die Verbindungen der Männer in die Szene rechtsextremer Bürgerwehren. So präsentierte Steffen B. - bei ihm wurde die selbstgebaute Slam-Gun gefunden - auf Facebook Fotos schwarz bejackter Männer, die unter dem Namen "Vikings Security Germania" in seinem Heimatort Schönebeck auf "Patrouille" gingen. Die "Vikings" sind ebenso aus den vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Soldiers of Odin" hervorgegangen wie "Wodans Erben Germanien", eine radikale Truppe, die durch martialische Auftritte vor allem in Bayern aufgefallen ist. Frank H., ein führendes Mitglied dieser Wodanserben aus München, sitzt nun ebenfalls als mutmaßlicher Terrorunterstützer in Untersuchungshaft.

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