Eröffnung in Krefeld „Du Jude!“ - Ausstellung über Antisemitismus

Krefeld · Ein Spruch, der auf deutschen Schulhöfen als Schimpfwort zu hören ist, ist das Motto einer Ausstellung in der VHS, die am Sonntag, 10 November, 11 Uhr, eröffnet wird. Es geht um alltäglichen Antisemitismus – auch in Krefeld.

 „Dass wir überhaupt eine Ausstellung mit dem Titel ‚Du Jude!‘ machen müssen, stört mich persönlich sehr“  Michael Gilad  Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Krefeld

„Dass wir überhaupt eine Ausstellung mit dem Titel ‚Du Jude!‘ machen müssen, stört mich persönlich sehr“ Michael Gilad Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Krefeld

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Wenn es um Antisemitismus in Deutschland geht, macht Michael Gilad, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Krefelds, widerstreitende Erfahrungen: Zum einen gibt es immer wieder große Zeichen der Solidarität und der Unterstützung, wie zuletzt bei dem Protestzug gegen Judenhass nach dem Attentat von Halle, an dem mit 800 Menschen überraschend viele Demonstranten teilgenommen haben. Zum andere gibt es einen alltäglichen – nach Gilads Erfahrungen zunehmenden – Antisemitismus, der laut Gilad sogar aus der engeren Nachbarschaft kommt und sich ganz allgemein immer wieder in Nazi-Schmierereien Bahn bricht – auch in Krefeld. In der VHS wird am Sonntag, 10. November, eine Ausstellung der Landeszentrale für politische Bildung (LZB) eröffnet, die mit einem Spruch überschrieben ist, der auf deutschen Schulhöfen als Schimpfwort zu hören sein soll: „’Du Jude!’“ Es geht um Antisemitismus heute – auch in Krefeld. Gilad hat die Ausstellung jetzt mit VHS-Leiterin Inge Röhnelt und der Leiterin der NS-Gedenkstelle Villa Merländer, Sandra Franz, vorgestellt.

Die Ausstellung wurde um Krefelder Aspekte ergänzt. Im VHS-Programm gibt es eine Reihe von Veranstaltungen in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde, der Villa Merländer und dem Neukirchner Erziehungsverein. „Die Ereignisse in Halle haben im Nachgang zu unserer Planung ganz aktuell gezeigt, wie brisant und wichtig dieses Thema ist“, sagt Krefelds VHS-Leiterin Inge Röhnelt. In Halle hatte ein bekennender Neo-Nazi die Synagoge angegriffen und willkürlich zwei Menschen erschossen, nachdem es ihm nicht gelungen war, sich Zugang zu der Synagoge zu verschaffen.

Auftakt und Kernstück der Veranstaltungsreihe bilden die Ausstellung „‘Du Jude!‘, Antisemitismus heute … gibt es das auch in Krefeld?“, die Bürgermeisterin Gisela Klaer am Sonntag, 10. November, 11 Uhr, eröffnet. Im Rahmen der Auftaktveranstaltung sprechen Gilad und Franz über aktuelle Formen der Judenfeindlichkeit in Krefeld und Umgebung. Das Trio Finkelstein aus Hannover bietet einen musikalischen Einblick in die jüdische Kultur.

„Dass wir überhaupt eine Ausstellung mit dem Titel ‚Du Jude!‘ machen müssen, stört mich persönlich sehr“, sagt Gilad. Er erlebt in Krefeld fortwährend Beschimpfungen, Beleidigungen und Hassbekundungen gegen Juden. Die jüdische Gemeinde erreichten zum Beispiel Briefe, die mit „Sieg Heil“ unterzeichnet sind oder auch Rasierklingen enthalten, so Gilad. Er hat auch schon von der frustrierenden Erfahrung berichtet, dass Nazi-Schmierereien kaum noch jemanden aufregen und achselzuckend hingenommen werden.

„Die gesellschaftlichen Veränderungen nehmen wir als beängstigend wahr, fühlen uns jedoch hilflos“, ergänzt Sandra Franz von der Villa Merländer. „Wir möchten mit unseren Veranstaltungen Hilfestellungen geben, wie man sich mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzen und Solidarität zeigen kann“, sagt sie.

Die NS-Dokumentationsstelle hat die LZB-Ausstellung um vier lokale Beiträge aus Krefeld ergänzt, die judenfeindliche Handlungen im Alltag, aber auch Solidaritätsbekundungen aufzeigen. Ein Duplikat des Krefelder Beitrags ist in der Villa Merländer an der Friedrich-Ebert-Straße 42 zu besichtigen.

Franz bietet Sonderführungen durch die VHS-Ausstellung an, auch nach Vereinbarung. Zur Themenreihe gehören außerdem zwei Workshops mit Franz für Schulen und Akteure in der Bildungsarbeit, und zwar zum einen zur Rhetorik des Rechtspopulismus und zum anderen zu antisemitischen Aussagen in der Musik.

Zu den Sonderführungen sind Anmeldungen in der VHS unter Telefon 02151 36602664 möglich. Interessierte an den Workshops können sich per E-Mail an sandra.franz@krefeld.de wenden.

Zwei weitere Angebote komplettieren die Themenreihe in der VHS: Am Donnerstag, 14. November, gibt Franz einen Überblick über die „Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis heute“. „Judenfeindlichkeit und Antisemitismus lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Heute noch existierende Stereotype und Feindbilder begannen weit vor 1933“, erklärt sie. Der Eintritt zu ihrem Vortrag kostet sechs Euro.

Ulrich Lillie, Präsident der Diakonie Deutschland, liest am Donnerstag, 28. November, in der VHS aus seinem Buch „Unerhört“. Vor dem Hintergrund, dass sich Millionen Menschen in Deutschland abgehängt, unverstanden – also ungehört – fühlen, erklärt Lillie, was schief läuft in diesem Land, und zeigt auf, wie die Kunst des Zuhörens wiederentdeckt und damit der gesellschaftliche Zusammenhalt und der Gemeinsinn erneuert werden kann. Der Eintritt zur Lesung kostet acht Euro.

Michael Gilad hat unmittelbar nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle, bei dem zwei Menschen ermordet wurden, auch Tröstliches zu berichten gewusst: Es habe danach eine Welle des Mitgefühls gegeben, hatte er berichtet, und resümiert: „Das Positive ist viel größer als das Negative. Dafür ist die Gemeinde sehr, sehr dankbar.“

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