Union, SPD, Grüne und FDP im Bundestag fordern einhellig, dass der AfD-Politiker Stephan Brandner sein Amt als Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses niederlegt. In einem Tweet hatte Brandner am Donnerstag das an Udo Lindenberg verliehene Bundesverdienstkreuz einen "Judaslohn" genannt.

Brandner bezog sich dabei auf einen Post von Lindenberg. Der hatte sich am Mittwoch auf Facebook zum Wahlergebnis der AfD in Thüringen geäußert. Man brauche keine rückwärtsgewandten Rassisten, Hetzer und menschenfeindliche Brandstifter, hatte Lindenberg geschrieben und aus seinem Song Sie brauchen keinen Führer zitiert: "und viele sagen immer noch: das wird sich niemals wiederholen – aber seht ihr denn nicht an den häuserwänden die selben alten neuen parolen? und die gleiche kalte kotze (wie vor 80 jahren) schwappt ihnen wieder aus dem mund..."

"Klar, warum der gegen uns sabbert/sabbern muß", twitterte Brandner dazu. Und ergänzte das mit dem Hashtag "Judaslohn". Als Judaslohn gilt eine Belohnung für einen Verrat. Die Redensart bezieht sich auf Judas, einen Jünger von Jesus, der nach allen vier Evangelien die Festnahme von Jesus und damit seine Auslieferung an die Römer ermöglicht hat.

Am Freitag sagte daraufhin der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, dem Handelsblatt, Brandners Äußerungen seien "unverschämt, spielen mit antisemitischen Ressentiments und sind seiner Position schlicht unwürdig". Brandner sei seiner Vorsitzendenposition nicht gewachsen. "Er sollte daraus Konsequenzen ziehen."

Der stellvertretende rechtspolitische Sprecher von CDU/CSU, Jan-Marco Luczak sprach am Samstag von einer neuerlichen, ungeheuerlichen Entgleisung Brandners. "Er spielt ganz bewusst mit antisemitischen Begriffen, er grenzt aus und schürt Ressentiments."

Rücktrittsforderungen nach Tweet zu Halle

Ähnlich äußerten sich Vertreter der übrigen Fraktionen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, twitterte: "Der Mann ist eines Rechtsausschussvorsitzenden unwürdig und in dieser Funktion untragbar." Ihr FDP-Amtskollege Marco Buschmann warf Brandner dort vor, immer wieder mit antisemitischen Vorurteilen zu spielen. Es fehle ihm offenbar an der für das Amt nötigen Würde und Anstand. "Das ist einfach nur widerlich und eines Ausschussvorsitzenden des Deutschen Bundestages nicht würdig." Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, sagte, man wolle "die Frage der Abwahl von Ausschussvorsitzenden im zuständigen Geschäftsordnungsausschuss thematisieren".

Es ist bereits die zweite Äußerung Brandners, die im Rechtsausschuss für Rücktrittsforderungen sorgt. Nach dem antisemitischen Anschlag in Halle hatte Brandner einen Tweet weiterverbreitet, in dem zu lesen war, dass Politiker vor Synagogen "lungern", obwohl bei der Tat Deutsche erschossen worden seien. Das spielte auf die öffentlichen Solidaritätsversammlungen vor den jüdischen Gotteshäusern an und negierte das eindeutig antisemitische Motiv des Täters.

Auch nach dem Halle-Tweet hatten Union, SPD, FDP, Grüne und Linke in einer gemeinsamen Erklärung im Rechtsausschuss dem AfD-Politiker die Eignung für das Vorsitzendenamt abgesprochen. Auch der Ältestenrat des Bundestages befasste sich mit dem Verhalten Brandners. Brandner entschuldigte sich letztlich dafür und durfte sein Amt behalten.

Laut Geschäftsordnung des Bundestages wählen die Ausschüsse ihre Vorsitzenden selbst, entsprechend den dazu getroffenen "Vereinbarungen im Ältestenrat". Nach einer Verabredung zwischen den Fraktionen steht der AfD die Leitung des Rechtsausschusses zu. Bei einer Abwahl dürfte Brandner durch einen Fraktionskollegen ersetzt werden.