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"Aufstehen und Nein sagen, wo Unrecht geschieht"

  • Fr, 20. Dezember 2019
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Irina Katz, der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Freiburgs, über die NS-Zeit und Antisemitismus.

Irina Katz   | Foto: Thomas Kunz
Irina Katz Foto: Thomas Kunz

Antisemitismus gibt es immer noch. Elena Mäder aus der Klasse 8a der Staudinger Gesamtschule in Freiburg hat sich mit Irina Katz, der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Freiburgs, über Judenfeindlichkeit unterhalten.

Zischup: Wurden sie schon mal mit Antisemitismus konfrontiert?
Katz: Ja, ich hatte auch persönliche Erfahrungen mit Antisemitismus. Wir in unserer Gemeinde haben fast täglich mit Judenhass zu tun. Wir werden beleidigt und verbal angegriffen. Mein schlimmster Vorfall war am 13. Juli 2019, als ich auf den Stufen der Synagoge stand, es war Sabbat, also unser Erholungstag. Wir hatten auch einen Gottesdienst, zu dem viele Menschen kamen. Auf einmal kam ein riesiger Kerl auf mich zu und hat mich mit Parolen wie "Hitler hat euch zurecht vergast und zurecht erschossen!" konfrontiert.
Zischup: Waren ihre Eltern betroffen von der NS-Zeit?
Katz: Ich komme eigentlich aus der ehemaligen UdSSR, also der Sowjetunion. Meine Eltern und Großeltern waren betroffen von der NS-Zeit. Man kann sie alle als Überlebende und Opfer des Holocaust betrachten. Meine Eltern waren noch Kinder, mein Vater ist 1931 und meine Mutter ist 1933 geboren.
Zischup: Was sollten Politiker gegen den Antisemitismus unternehmen?
Katz: Alle demokratischen Parteien von der Linken bis zur CDU sollten aktiv gegen den Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit vorgehen. Das heißt, aufstehen bei antisemitistischen Äußerungen und Nein sagen, wo Unrecht geschieht. Manchmal ist es schwierig, weil die AfD-Fraktion in manchen Ländern groß ist. Man muss auch als Politiker aktiv gegen antisemitische Äußerungen vorgehen, damit die AfD nicht so viel Macht hat.
Zischup: In welcher Situation sind Menschen mit jüdischem Glauben besonders gefährdet?
Katz: Bei jüdischen Festen, bei denen sehr viele Menschen in der Synagoge sind, wie zum Beispiel bei dem Anschlag in Halle, wo der Täter in die Synagoge einbrechen und dort Menschen erschießen wollte, oder bei den Gottesdiensten sind sie gefährdet. Das heißt konkret: bei Festen, bei Veranstaltungen, beim Betreten und Verlassen der Synagoge sind Juden gefährdet.
Zischup: Durch den Anschlag in Halle merkt man ja, dass der Judenhass in unserer Gesellschaft immer noch präsent ist. Haben sie Angst, dass er sich noch weiter steigern könnte?
Katz: Unmittelbar nach dem Anschlag in Halle habe ich ein Interview mit dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von Halle gesehen. Der spielt jetzt sogar mit dem Gedanken auszuwandern.

Ressort: Schülertexte

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