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Neonazi-Forum "Iron March": So schrieben Deutsche im Netz


Daten von "Iron March" im Netz
So schrieben Deutsche im wichtigsten Neonazi-Forum

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 13.11.2019Lesedauer: 5 Min.
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Nicht mehr im Netz: Das Forum "IronMarch" sah sich selbst als Planet des Hasses und Brutstätte von Faschisten. Jetzt sind die Daten und die Nachrichten geleakt worden.Vergrößern des Bildes
Nicht mehr im Netz: Das Forum "IronMarch" sah sich selbst als Planet des Hasses und Brutstätte von Faschisten. Jetzt sind die Daten und die Nachrichten geleakt worden. (Quelle: Screenshot)

Die Internetseite galt als Brutstätte von Neonazi-Terrorgruppen: Jetzt ist die Datenbank des Forums von Hackern erbeutet und veröffentlicht worden. Auch Deutsche könnten enttarnt werden.

Hunderte knallharte Neonazis aus aller Welt, die ganz offen von Umsturz und Rassenkrieg fabulierten, müssen ihre Enttarnung fürchten. Seit Mittwoch ist ein verräterischer Datensatz des Forums "IronMarch" im Netz, das sich selbst als "Planet des Hasses" und "Schmiede der Faschisten des 21. Jahrhunderts" bezeichnete. Es galt als Brutstätte mehrerer rechtsextremer Terrorgruppen, bevor die Seite 2017 vom Netz ging.

In den Daten enthalten sind alle von September 2011 bis September 2017 angelegten Benutzernamen mit E-Mail- und IP-Adressen sowie private Nachrichten und Forenbeiträge aus den letzten Monaten des Forums. Insgesamt enthält der Datensatz Informationen zu 3.548 Nutzerprofilen. Wer hinter der Veröffentlichung steckt, ist bisher unklar.

In dem Forum bildete sich die vor allem in den USA auftretende "Atomwaffen Division", von der bereits etliche Mitglieder wegen Morden, Gewaltverbrechen und Terrorplänen verhaftet wurden. Der Gründer verbreitete auf der Internetseite unter dem Namen "Odin" eine lange Anleitung zum paramilitärischen Kampf. Auch aus anderen Ländern fanden militante Neonazigruppen dort eine Plattform und vernetzten sich untereinander.

Fantasien vom "Tag der Galgenstricke"

In dem Forum sind einige Nutzer mit E-Mail-Adressen deutscher Anbieter registriert, unsere Redaktion hat Nutzer mit web.de-, gmx.de-, yahoo.de- und t-online.de-Adressen gefunden. Manche dieser Adressen sind mit Accounts auf Twitter, Facebook oder anderen Plattformen registriert. Zum großen Teil wurden Konten aber offenbar über VPN-Netze angemeldet, um den eigenen Standort zu verschleiern.

Auf Hinweise zu einer organisierten, explizit deutschen Gruppe im Forum ist t-online.de nicht gestoßen – obwohl seit Längerem ein deutscher Ableger der "Atomwaffen Division" existieren soll. Im Juni 2018 wurde ein deutsches Propagandavideo bekannt, ein Jahr später gab es Flugblätter mit Terrordrohungen. Zuletzt wurden Morddrohungen gegen hochrangige Grünen-Politiker bekannt.

In dem Forum schrieben deutsche Nutzer aber vom Kampf, vom "Tag der Galgenstricke" und suchten Mitstreiter. Wie beispielsweise "Killinger", der dort rege postete. Er ist möglicherweise Bundeswehrsoldat oder war es zumindest. In einem Beitrag beschwert er sich: "Hier in Deutschland wird es immer schwieriger, sich irgendwo wirklich einzubringen. Jede Sekunde kann es eine Razzia geben." Zugleich rät er: "Mit meinen Jahren in der Infanterie kann ich euch nur sagen: Seht zu, dass ihr rausgeht und euch Training holt." Er schreibt dort auch, welche Waffen aus seiner Sicht die besten sind.

Eine Nutzerin "EdelweißSS", die sich 2017 als 16-jährige Österreicherin in den USA vorstellte, schrieb über sich selbst: "Ich möchte Erfahrungen sammeln und trainieren, damit ich mich verteidigen und nötigenfalls töten kann."

Ein "Blutaar" aus Deutschland rät anderen hingegen, ihre Überzeugungen zu verbergen, um in der Wirtschaft in Verantwortung zu kommen. "Dann kannst du dir das zunutze machen, um das System zum Einsturz zu bringen. Wenn du ein Kraftwerk leitest und der Tag des Galgenstricks hat begonnen, dann gehst du hin und sabotierst das Kraftwerk."

Nutzer nennt Reeker-Attentäter "Held"

Unsere Redaktion ist bisher nicht auf Beiträge gestoßen, in denen deutsche Nutzer über konkrete Pläne für Anschläge in Deutschland gesprochen haben. "Werwolf-Trupps wie von Himmler vorgeschlagen wären nötig, wenn wir unsere Rasse langfristig retten wollen", schrieb ein Nutzer "Rostislav". Deutschland habe aber einfach zu wenige Menschen, "die bereit sind, weit genug zu gehen". Kurz nach dem Attentat auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte ein Nutzer "Bolesnik", der auch auf deutsch schreibt, dass er den Namen des Attentäters ausfindig machen will. "Wir sollten ihn verbreiten, ich denke, er ist ein Held."

Die "IronMarch"-Nutzer hielten sich für eine Elite, verglichen sich mit der SS, während der Großteil der Szene im deutschsprachigen Raum wie die SA sei, "primitive Banditen", wie es ein Nutzer schrieb.

In vielen Beiträgen wird der fanatische Judenhass überdeutlich. So wird Pegida von "Rostislav" aus diesem Grund kritisiert: Pegida werde von "einigen Antideutschen unterstützt", die auf den antimuslimischen Zug aufspringen würden, "weil sie ihre kostbaren Juden schützen wollen". Dabei steckten die Juden auch hinter den Muslimen, so "Rostislav".

"Fette Feministinnen" leichter zu erschießen

Feministen waren den Neonazis im Forum ein Grauen. "Killinger" schrieb: "Ich finde es unterstützenswert, wenn sie sich in fette Wale verwandeln. Dann sterben sie an Diabetes und Herzproblemen oder sie sind zu fett zum Rennen, und dann würde es für mich einfacher, sie zu erschießen." Er glorifiziert auch Personen hinter Amokläufen der vergangenen Jahre.

Das Forum lief über von Bildern mit Hakenkreuz und anderen NS-Symbolen, Hitler wurde verehrt. Ein Nutzer, "patofliet", mit einer deutschen Adresse, etwa nannte ihn "so großartig, dass Worte ihm nicht gerecht werden können. (...) Hitler ist für mich größer als das Leben, er ist Unsterblichkeit."

Bericht von Hess-Gedenkmarsch

Postings sind aber nicht nur schwülstige Verehrungen, es gibt auch konkrete Berichte: Nutzer "H1GH70W3R", nach eigenen Angaben Wirtschaftsstudent aus dem Rheinland, schilderte eine Fahrt zu einem Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Falkensee und Probleme mit der Antifa. Rund 250 Neonazis hatten an der Kundgebung 2017 teilgenommen. Er verlinkt ein Rechercheprojekt, das den Marsch dokumentiert hat.

Nach Informationen von t-online.de gehörte er der Partei "Die Rechte" an und wurde 2019 nach Jugendstrafrecht verwarnt, weil er sich beim Heß-Gedenken 2018 an Gesängen „Wo man Juden deportiert, da ist das Rheinland, schalalalala…“ beteiligt hatte.

Im Forum schildert auch die Geschichte seiner Radikalisierung: Als Kind habe er Hakenkreuze zum Spaß gemalt, sei immer ein Troll gewesen. Dann sei er oft für "provozierendes Zeug" von Facebook gesperrt worden, weshalb er sich noch mehr "mit der unterdrückten Sache" befasst habe. Anfangs sei er ein Rechter gewesen, ohne Kontakte, 2015 habe er dann aber an seinem 18. Geburtstag mit Freunden eine Gruppe "Black Division" gegründet, sie aber "für andere Projekte" wieder aufgegeben.

Kongresskandidat als "IronMarch"-Mitglied geoutet

Ein anderer Nutzer schildert ein Treffen der NPD-Größen Udo Voigt und Thorsten Heise, ein Vertrauter von Björn Höcke, mit serbischen Nationalisten. Die serbische Neonazi-Partei hatte davon auch Fotos verbreitet. Der Nutzer berichtet in dem Forum, die NPD-Politiker hätten von den Nöten gesprochen, denen deutsche Nationalisten durch die "jüdisch kontrollierte Regierung" ausgesetzt seien. Es sei aber auch um den "aktuellen Höhenflug und künftigen Absturz der AfD" gegangen.

Nach Bekanntwerden des Datenlecks recherchieren nun Journalisten, Wissenschaftler und Antifa-Gruppen zu den Mitgliedern der Foren. Die Investigativjournalisten der Seite Bellingcat haben sogar einen Leitfaden veröffentlicht, wie die Daten ausgewertet werden können. Am Freitag wurde eine Seite eingerichtet, die das Durchsuchen einfach macht.

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Auch Ermittlungsbehörden in aller Welt dürften sich für die Daten interessieren. Die Echtheit aller Daten lässt sich nicht zweifelsfrei bestätigen – die US-Seite "Vice" ist aber auf Inhalte gestoßen, die aus früheren Recherchen bestätigt sind.

Schon wenige Stunden nach der Veröffentlichung gab es aus den USA starke Hinweise, dass ein früherer Kandidat für den Kongress in Oklahoma in dem Forum postete. Die dort genutzte E-Mail-Adresse hatte er demnach auch für die Anmeldung der Kandidatur genutzt.

Der Text wurde mit neuen Informationen ergänzt und Angaben zu den Urhebern der Aussagen wurden präzisiert.

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