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Vorteile des Single-Lebens Jung, ledig, gesund sucht...

Menschen in festen Partnerschaften sind zufriedener und leben länger als Alleinstehende. Wirklich? Wissenschaftler beginnen an dieser Theorie zu zweifeln. Neue Studien zeigen: Das Single-Dasein hat positive Effekte auf das Wohlbefinden.
Von Cinthia Briseño
Alleinstehend, aber glücklich: Gute Freunde können den Beziehungspartner ersetzen.

Alleinstehend, aber glücklich: Gute Freunde können den Beziehungspartner ersetzen.

Foto: Corbis

Nie hat es in Deutschland so viele Menschen gegeben, die auf der Suche nach Mrs. Right oder Mr. Perfect sind. Zwar lässt sich die Gesamtzahl aller Singles nicht genau beziffern. Klar aber ist, dass in Deutschland mehr Menschen alleine leben als noch vor Jahren. 1970 wurden 25,1 Prozent aller deutschen Haushalte von Einzelpersonen geführt - 2009 waren es 39,8 Prozent. Das entspricht 16 Millionen Haushalten, in denen nur eine Person lebt. Nichts deutet daraufhin, dass der Trend stoppt.

Diese Tendenz herrscht vor allem in westlichen Zivilisationen vor. Hat sie aber auch Auswirkungen auf die Gesundheit und die Psyche?

Fest steht: Es gibt Menschen, die mit dem Dasein ohne Partner besser klarkommen als andere. Das Single-Leben sei wie eine Befreiung, konstatieren sie, selbstbestimmt und unabhängig. Man kann ungezwungen seinen Vorlieben und Interessen nachgehen. Lästige Absprachen sind nicht nötig, Spontaneität kein Problem. So sehen es viele Singles.

Und um deren Gesundheit ist es immer besser bestellt. Das legen einige Studien nahe: Soziologen von der University of Texas in Austin etwa haben das Wohlbefinden von 1,2 Millionen Amerikanern ausgewertet, die zwischen 1972 und 2003 im Rahmen des National Health Interview Survey befragt wurden. Das Ergebnis der Studie, die 2008 veröffentlicht wurde: Menschen, die noch nie verheiratet waren, fühlen sich zunehmend wohler in ihrer Haut und sind gesünder.

Waren Alleinstehende in den siebziger Jahren noch deutlich häufiger krank als Verheiratete, so ist der Unterschied in den vergangenen Jahrzehnte deutlich geschrumpft. Die Lücke schließt sich, vor allem bei Männern, lautet das Fazit der Studie .

Beeinflusst der Beziehungsstatus das Gewicht?

Noch steht die Single-Forschung am Anfang, erst in den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler und Soziologen damit begonnen, deren gesundheitliches Wohlergehen genau zu analysieren. So haben sich die Forscher aus Austin sowie eine weitere Gruppe vom Lafayette College in Easton mit einer Frage beschäftigt: Hat der Beziehungsstatus möglicherweise Einfluss auf das Körpergewicht ? Auf der einen Seite steigt der Anteil der Fettleibigen drastisch, auf der anderen sinkt die Zahl der Eheschließungen (1991 waren es in Deutschland 454.291, 2008 nur noch 377.055).

Die Soziologen wollten herausfinden, ob es zwischen beiden Beobachtungen möglicherweise einen Zusammenhang gibt, und falls ja, wie man diesen erklären könnte. Vier unterschiedliche Hypothesen haben sie dafür überprüft :

  • Menschen mit einem geringeren Body-Mass-Index (siehe Kasten links) werden eher als Partner für eine Ehe auserwählt.
  • Verheiratete leben allgemein betrachtet gesünder, weil sie vom Partner umsorgt werden und weil ihr Verhalten weniger risikoreich ist.
  • Ehepartner nehmen häufiger Mahlzeiten ein, weil sie quasi einer sozialen Pflicht unterliegen.
  • Menschen, die sich nicht mehr auf dem Heiratsmarkt behaupten müssen, können sich gehen lassen.

Die ersten Ergebnisse der Forscher deuten darauf hin: Ja, der Beziehungsstatus beeinflusst das Körpergewicht. Bisher sprechen die Daten am meisten für die letzten beiden Theorien - in Zweisamkeit isst es sich offenbar öfter und üppiger. Und wer unter der Haube ist, kümmert sich weniger um Äußerlichkeiten. Will heißen: Single zu sein, bedeutet nicht automatisch dicker zu sein.

Alleinsein ist weniger stressig

Geht es um die Zufriedenheit von Singles, so kommen niederländische Glücksforscher von der Universität Rotterdam zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie die Soziologen aus Austin. Demnach sind Alleinstehende nicht nur immer gesünder. Sie sind auch zunehmend glücklicher als Verheiratete. Der Grund, den die Forscher dafür ausgemacht haben: Früher glaubte man zwar, dass jene, die den Hafen der Ehe nie erreicht haben, unvermittelbar sind. Diese Vorstellung ist aber inzwischen so gut wie passé. Alleinsein ist weniger stressig, weil der soziale Druck abnimmt - das wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus.

So kehren sich die Erkenntnisse der Soziologen nach und nach ins Gegenteil um, denn genau diese beiden Argumente - weniger Stress und mehr Zufriedenheit - führten sie einst als Ursache für das größere Wohlbefinden der Verheirateten an. Doch das Single-Leben ist ein anderes geworden. Singles kommen mit dem Alleinsein besser klar, weil sie nicht mehr stigmatisiert werden. Und können so die gesundheitsfördernden Faktoren auch für sich verbuchen.

Und die Fürsorge durch den Partner? Diese Rolle übernehmen heutzutage Freunde, mitunter auch Psychologen, sagen die Soziologen. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke im Internet ist es einfacher geworden, Bekanntschaften zu schließen, Freunde zu finden, sich ein stabiles soziales Umfeld aufzubauen.

Alleinsein kann aber auch zur Crux werden. Und genau da liegt ein möglicher Malus für Singles. Die Probleme entstehen dann, wenn aus der vermeintlichen Freiheit Einsamkeit wird - und innere Isolation droht. Menschen können sich sogar einsam fühlen, obwohl sie eigentlich in ein soziales Netz eingebunden sind. Psychologen wissen, das ist keine Seltenheit. "Einsam" ist ein subjektiver Zustand, "alleine" ein objektiver.

Und: Einsamkeit ist gesundheitsschädlich. Auch diesen Zusammenhang hat man in mehreren Studien bereits nachweisen können. Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ein geschwächtes Immunsystem, Depressionen - all das können Folgen innerer Isolation sein. Sozial aktive Menschen, so auch das Fazit einer vor wenigen Monaten veröffentlichten Studie, können sich im Schnitt über ein längeres Leben freuen als Einzelgänger.

Beziehungen sind also wichtig und verbessern die Gesundheit, aber auch Singles sind zufrieden und gesund, solange sie sich nicht in die innere Isolation flüchten.

Einer der Studienautoren warnt allerdings davor, Facebook und ähnliche Angebote als Ersatz für ein echtes soziales Netzwerk zu sehen. "Für den Menschen sind Beziehungen eine Selbstverständlichkeit. Wir sind wie Fische, die das Wasser gar nicht bemerken."

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